Donnerstag, 30. April 2020

 

In drei Wochen ist Vatertag.

Wahrscheinlich sind die Artikel für die entsprechennden Ausgaben von Zeit und Spiegel und anderen bereits zugewiesen, verteilt und geschrieben. 

Väter in Zeiten von Corona. Was haben sie denn gelernt, bis heutzutage.

 

Welche Noten können wir, das heißt Frauen, ihnen, das heißt den heute gerade aktuellen,  geben. Welche Rechtfertigungen werden wir ihnen zugestehen?

 

Diese Webseite ist Männerschreibe.

Das heißt: Sie ist ich-basiert. Denn nur „ich“ kann Verantwortung für „meine“ Denke übernehmen.

Sie verzichtet auf jenen Übergriff, den das Denken der Vergesellschafteten immer schon enthält.

Das heißt: Sie ist Post Festum. Die Frau ist tot. Die 5 Kinder leben an 4 verschiedenen Orten in Deutschland, eine in Dänemark, in verschiedenen Phasen ihres Studiums, die Älteste praktizierende Ärztin. Die Zerstörung der alleinsorgenden Existenz des Vaters ist bis zur Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung und bevorstehenden Rausschmiß durchgeführt worden.

 

Man muss alter Mann sein, um zu wissen was abläuft, in diesem Land.

Das heißt: man ist nicht nur weiß und alt sondern auch häßlich geworden.

 

Das heißt man muß Erotiker sein. Man muß in der Hölle noch die Wirklichkeit lieben. Mit Geilheit, mit Neugier.
Man muß einen Abscheu gegen den Zuckerguß haben, unter dem noch die letzte Regung von Leben erstickt wird im heutzutage.

 

Corona, die Existenz, das Leben und die Familie.

 

Alles ist relativ: Das Leben der Soldaten ist es und das Leben der Alten auch, möglicherweise. Sterben für Deutschland könnten auch die.
Denn über allem steht die Würde. Die Relativierung des Lebens verstößt nicht gegen selbige. Schäuble und Palmer haben „uns“ das gesagt.


Aber die Lebenden haben ihre Existenz.
Die kann ihnen von anderen besorgt sein.
Oder sie besorgen ihre Existenz selber. Dann sind sie „selbstständig“.

Existenz ist sozialisiertes Leben unter den Bedingungen der Gesellschaft. 
Ich habe Kompetenzen erworben und vermiete mich als Träger dieser Kompetenzen, als IT-Treiner, als Schreiber, als Programmierer.  Ich bin ein manchmal gut  bezahlter Tagelöhner.
Meine Existenz sind einige Auftraggeber, die mich kennen und nachfragen. Meine Existenz sind die Pläne die ich entwickle.

Ich habe Familie. Meine Frau, verstorben. 5 Kinder, unterwegs in ihre  Berufe. Ich habe Angehörige. Eine Schwester und einen behinderten Bruder, von ihr betreut. Vor kurzem hatte er einen Schlaganfall, ist im Pflegeheim.
Meine Existenz ist die Sorge, jahrzehntelange Sorge, Sorge in der Überforderung.

In dem Jahr, als mich die Familienkasse aus der Existenz geschossen hat, war es mein privates Problem, erstickt unter Schweigen der Behörde selbst, und unter dem Schweigen derjenigen, die ich um Hilfe angesprochen habe, Publikationen wie Spiegel, Die Zeit, Die Welt gehören dazu.

In diesem Jahr von Corona lernen eine ganze Menge sorgende Menschen noch eine Bedeutung von Existenz: Die heißt Risiko.
Neben den Risiken meiner beruflichen Existenz, auf die ich trainiert, „sozialisiert“ bin, die ich einschätze, verwalte, aushalte,  tritt ein anderes Risiko:
Dass mein Leben bedroht sei, habe ich erfahren.  Dass, um meines blanken Lebens willen, meine Existenz nunmehr unter Verwaltung steht wurde mitgeteilt. Dass es Aussicht auf Lockerung gibt, zu erkaufen durch Kontrolle, durch Abstand, durch Mundschutz, durch mein Smartphone zur Identifiktion eines jeden, der mir auf der Straße begegnet, als Träger oder Nicht-Träger eines tödlichen Risikos für mich, wie süß der Gedanke dabei,  dass „ich“ selbstverständlich ja auf der Seite der Unschuld stehe, ich habe auch das zur Kenntnis genommen. Ich muss ja gar keine Neger hassen. Es genügt völlig, wenn ich weiß, dass sie infiziert sind.
Ich weiß auch, dass die Installation dieser App freiwillig sein wird. Aber selbstverständlich, ja doch.   
Bedingung der Freiwilligkeit ist natürlich, dass die Leute sie installieren. Grundrechte verfallen mit ihrem Gebrauch.


Ich bin auch unterrichtet, dass ich zu einer Risikogruppe gehöre. Aufgrund meines Alters. Das ist allerdings eine Falsch-Behauptung. So falsch, wie die Behauptung, dass ein Virus keine Grenzen kenne. Virus kennt Grenzen. 2 meter sind schon ziemlich absolut Grenze. Deshalb braucht Virus Menschen. Denn nur Menschen kennen keine Grenzen.  Deshalb braucht Virus Menschen, die ihn in 10 Stunden Flügen global verbreiten. Solche, die ihn lokal bei Fest und Besäufnis austauschen. Solche die ihn als Pflegeleistende lokal in die letzte Ecke der Wehrlosigkeit hineintragen. 
Seit den Tagen von Aids war Risikogruppe symmetrisch verstanden: Geber und Nehmer der Infektion praktizierten gemeinsames Verhalten, sexuell, oder im Drogenkonsum, und haben damit die Risiko“gruppe“ gebildet. 
Corona verteilt Risiko asymmetrisch. Von den Transporteuren, „unseren“ Leistungsträgern,  hin zu den Endverbrauchern in den Heimen, die daran vermehrt zugrunde gehen. Die vermutlich sowieso in einem halben Jahr gestorben wären. Ein Virus fürs gesunde Volksempfinden.

Hab ich also einen Grund, warum ich ablehne zur Risikogruppe zu gehören: Allein meine Zugehörigkeit erhöht mein Risiko durch Maßnahmen der robusten Gesellschaft.  Die korrekte Bezeichnung ist „gefährdete Gruppe“. Risikogruppe sind diejenigen, die Risiko verteilen. Die Aktiven. Die die anderen als Risikogruppe  definieren um sie – zu deren Besten – zu isolieren oder zusammenzufassen in Einrichtungen, in denen sie einem real erhöhten Risio auf Ansteckung ausgesetzt sein.
Der Anspruch auf Bevormundung ist zusätzliches Risiko der Alten.     

Meine Freiheit. Ich bin Risiko gewohnt. Risiken gehören zu meinem Beruf als Selbstständiger. Jeder Auftrag enthält Risiko. Risiken gehören zu meinem Leben „außerhalb“ von Beruf: Unfall, Krankheit, sonstige Komplikationen. Ich erkenne es, schätze es ein, vermeide es oder gehe es ein, wenn ichs für unvermeidbar halte. Jeder Mensch weiß, dass der Risikoraum Familie, zwei Drittel des Tages für den Restmenschen ein mehrfaches des Risikos am Schreibtisch ausmacht.
Die auf Familie abgerichtete Staatsratte vom Finanzamt weiß es nicht.
Das ist die Gleichbehandlung der Familie durch die Abgabenordnung.

Die Maßnahmen der Stadt Hamburg haben mich kaum betroffen. Ich lebe allein. Ich verlasse meine Wohnung wann ich will, ohne jemandem Rechenschaft zu schulden. Ich kann die Alster langgehen, wie hunderte andere an manchen Tagen auch.  Ich kann in der Innenstadt gehen, durch fast leere Straßen und durch solche, wo Schlangen vor geöffneten Geschäften stehen, und wo andere warten, ohne Erwartung. Wo andere sich über Meter hinweg unterhalten, ohne den zu achten, der zwischen ihnen hindurch geht.

Herdenimmunität. Ich gehe meine eigene Herdenimmunität. Sie besteht in nichts weiter, als meiner Erwartung, dass der Virus mich irgendwann befragen wird. Vielleicht merke ichs, vielleicht nicht. Ich gehe nicht hinter mich zurück.


Vielleicht spricht mich ein Augenpaar an, auf einem Poller sitzend, und wir tauschen ein paar Worte. Sie braucht Geld für Zigaretten und ich hab keins. Ich selber bin nicht maskiert.
Eine Stunde Fußweg später kurz zu Rewe. Eine Tafel Schokolade für 1 Euro. 2 Stück. Es herscht Maskenzwang. Schiebe meinen Schal soweit hoch, dass er über die Nase reicht. Dann hat er glatt vergessen mir einen desinfizierten Korb in die Hand zu drücken. Ich habs nicht reklamiert. Irgend eine Frau, maskiert, hält mir den Daumen hoch…
Am Vormittag war ich in einer Behörde ohne Maskenzwang. War die Abrechnung aus der Zwangsversteigerung. In ein paar Tagen werde ich etwas Geld haben.

 

 

Kommen wir zur Sache.

Es  gibt eine Menge Leute, die jetzt in Zeiten von Corona lernen, was Existenz heißt. Was schlaflose Nacht heißt. Was Zusammenbruch eines Verstandes heißt, der keinen Nutzen mehr hat.

Diese Leute werden denken, dass es die Epidemie ist, die das macht. Sie irren sich.

Denn ich habe das Wort Existenz selbst gelernt.
Meine Lehrer waren diejenigen, die nicht wissen, was Existenz ist noch was Risiko. Die in einer einzigen Entscheidung dafür gesorgt haben, dass sie selbst versorgt sind, bis zum letzten Tag ihres Daseins.

Die haben mir Staat beigebracht, indem sie mir die Existenz entzogen haben . 
5 Kinder, mit nichts als ein bißchen Vater, zu Sorge und Versorgung.
Dazu brauchten sie kein Corona.